Freidenker auf antifaschistischen Spuren in Bremen

Kategorie: Bremen Veröffentlicht: Mittwoch, 08. August 2007
Freidenker in BremenIm Juli besuchten Bremer Freidenker und Freunde des DFV die Ausstellung "Partigagiani", die gemeinsam von der DGB-Jugend, der VVN-BdA und des "Standpunkt" im Gewerkschaftshaus des DGB gezeigt wurde. Die Ausstellung der italienischen Institute für Widerstand und Zeitgeschichte in Modena, Parma und Reggio Emilia trägt den Untertitel "Gegen Faschismus und deutsche Besatzung -- Der Widerstand in Italien" und wird derzeit in der BRD in verschiedenen Städten gezeigt. Unser Ausstellungsbesuch musste jedoch verkürzt werden, da der DGB bereits vor Ende der Ausstellung (!) einen Großteil der Exponate aus Platzgründen entfernt hatte.

Daraufhin lud uns Raimund Gaebelein, der Vorsitzende der VVN-BdA Bremen, zu einem Rundgang durch die Stadt ein. Eine soziale und demokratische Gesellschaft mitzugestalten beinhaltet, sich mit der Geschichte unseres Landes zu befassen. Aus der Geschichte lernen heißt, die Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen. In den üblichen Stadtrundfahrten wird die Geschichte unserer Stadt in den Jahren 1933 bis 45 weitgehend ausgespart. Dennoch zeugt noch mancher Ort von faschistischem Terror, von der Verfolgung führender Mitglieder von Arbeiterparteien, von der Deportation des jüdischer Bevölkerungsteils, von Zwangsarbeit, Gestapofolterung und Sondergericht.

Der Faschismus kam nicht über Nacht. Zahlungskräftige Interessenten waren an seiner Installierung beteiligt. Der Vizepräsident der Handelskammer schwor die Bremer Kaufmannschaft am 16.3.33 in der Börse auf Adolf Hitler ein. In der Böttcherstraße erinnert die von Prof. Bernhard Höttger geschaffene Roselius-Büste an die frühe Unterstützung der NSDAP durch den Kaffee-Hag-Produzenten. Daher blieb die Böttcherstraße als eine Art Freilichtmuseum entarteter Kunst erhalten. Als Präses der Handelskammer hatte Roselius 1919 von der Reichsregierung in Berlin den Einsatz von Militär gegen die Bremer Räterepublik erwirkt.

Freidenker in BremenWiderstand gegen den faschistischen Terror erlebte Bremen schon vor 1933. Die letzte freie Rede in einem deutschen Parlament hielt der kommunistische Abgeordnete Hermann Prüser am 10. März 1933 in der Bremischen Bürgerschaft. 12 Ausgaben einer illegalen Zeitung wurden bis Herbst 1933 erstellt. Flugblätter in die Obernstraße regnen ließen Mitglieder der internationalen Seeleutegewerkschaft vom Dach des Kaufhauses Karstadt im April 1933.

Ein Denkmal am Landherrenamt erinnert der fünf Bremerinnen und Bremer jüdischer Herkunft, die in der Nacht des 9. November faschistischen Morden zum Opfer fielen. Nicht weit davon das Alte Gymnasium, die Bremer Eliteschule, auf der Ludwig Quidde Abitur ablegte, der später Friedensnobelpreisträger wurde. Die Synagoge in der Gärtnerstraße (heute Kolpingstraße) fiel am 9. November 1938 dem organisierten Pogrom zum Opfer.

Kriegervereine und Neofaschisten versuchen Jahr für Jahr auf der Altmannshöhe die Erinnerung an den Glorienschein von gestern wieder zu erwecken. Die Statue "Freiheitskämpfer" von Fritz Crämer erinnert an der Ostertorwache an die Gestapo-Opfer, die hier verhört und gefoltert wurden. Nach lange vorbereiteten Listen wurden Arbeiterfunktionäre am Tag nach dem Reichstagsbrand vom 27. Februar 1933 verhaftet. In den Wallanlagen erinnert das Lidice-Denkmal an die Vernichtung des tschechischen Arbeiterdorfes 1942. Eine Mahnung, dass Widerstehen nicht erst beginnen darf, wenn der Terror seinem Höhepunkt zustrebt.

Die Gestapo-Zentrale befand sich am Wall. Dort fanden die berüchtigten "Sonderbehandlungen" der Gestapoleiter Herlein und Frieden statt. Drei große Prozesse gegen mehr als 200 Mitglieder von Arbeiterparteien wegen Fortführung ihrer Strukturen sah das Bremer Landgericht. 1943 verurteilte das Bremer Sondergericht den nicht einmal 16jährigen Walerjan Wrobel zum Tode, weil
er aus Heimweh in seiner Unterkunft gezündelt hatte. Das Bremer Sondergericht fällte 54 Todesurteile.

Informationen und Stadtrundgänge gibt es bei der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN/BdA), Am Speicher XI/9 in Bremen bzw. montags 17-18 Uhr, donnerstags 18-19 Uhr unter der Telefonnummer 382914.

Ein ausführlicher Bericht kann der Ausgabe Juli/August dem Magazin "antifa" entnommen werden (www.vvn-bda.de).

U.Sch.