Kategorie: Hamburg
Veröffentlicht: Montag, 13. Juni 2005
Unter diesem Titel stellte Helmuth Sturmhoebel seine Ausführungen am 2. November Mitgliedern und Freunden des DFV zur Diskussion. Seinen Darlegungen stellte er voran die Einheit von Leben und Tod; es gibt kein Leben ohne den Tod; Geburt und Sterben sind Phasen unseres Lebens; der Tod gibt unserem Leben die Endlichkeit. Daher sollte das Leben immer den gewichtigeren Teil unseres Denkens und Handelns einnehmen.
Die Erkenntnis über die Endlichkeit des Lebens unterliegt einem seit der Menschwerdung kulturhistorischen Entwicklungsprozess. Er spiegelt u. a. die unterschiedlichen weltanschaulichen und religiösen Deutungen des Todes und die ihnen entsprechenden Begräbniskulturen wieder.
Besonders in den Begräbniskulturen wird die Determination durch die jeweiligen sozialökonomischen Verhältnisse und der damit verbundenen unterschiedlichen Stellungen der Menschen in der Gesellschaft sichtbar - als besitzende, machthabende, reiche oder als besitzlose, unterdrückte arme Menschen. Ebenso findet die abwertende gesellschaftliche Position der Frau in den einzelnen geschichtlichen Epochen in der jeweiligen Begräbniskultur ihren Niederschlag.
Ausgehend von den uns heute bekannten Kulturen und Auffassungen der Völker zum Tod, ging Helmuth Sturmhoebel auf die durch den christlichen Glauben geprägte ein. So wird in allen christlichen Konfessionen die Auferstehung nach dem Tod gelehrt und Hoffnungen wie auch Trost auf ein Wiedersehen bei Gott gesetzt. Dieser Glaubensinhalt bestimmt nicht nur wesentlich das Verständnis vom Sterben und Tod, vom Umgang mit den Toten und mit der Trauer, sondern auch das zum Leben. Mit dem Glauben auf ein besseres, schöneres Leben nach dem Tod bei und mit Gott, vereint mit den bereits Verstorbenen, wird das menschliche Leben in seiner Einmaligkeit und Unwiederbringlichkeit abgewertet. Das eigentliche Wesen des Menschen als Schöpfer seiner selbst wird negiert, mitunter wird eine gewisse Lebenspassivität und Schicksalsergebenheit erzeugt.
Die Freidenker - so hob H. Sturmhoebel hervor - wenden sich gegen jegliche Art der mystischen Verklärung des Todes und setzen sich bewusst mit dem Sterben und dem Tod, mit der Endlichkeit des Lebens, seiner Zerbrechlichkeit und Bedrohtheit auseinander. Im Mittelpunkt steht dabei die lebensbejahende und lebensbewahrende Funktion. In diesem Sinn sind auch der noch in unserer Zeit partiell anzutreffenden gedanklichen Tabuisierung und Verdrängung des Todes und den daraus resultierenden Defizite beim Umgang mit Sterbenden und Trauernden entgegenzutreten. Sterbebetreuung und Begleitung von Trauernden müssen von der heutigen Gesellschaft mehr Möglichkeiten zu ihrer vollen Wahrnehmung erhalten. Wichtigste Voraussetzung ist die Überwindung einer gewissen Sprachlosigkeit zu dieser Thematik.
In längeren Ausführungen ging der Referent auf die verschiedenen individuellen Seiten des Sterbens, des Todes und der Trauer, auf Haltungen und Verhaltensweisen ein. Er verwies auf die Gefahren für die Menschlichkeit, die Menschenwürde, den Lebensoptimismus und schöpferische Lebensgestaltung in einer Gesellschaft, in der das Geld zum Maßstab aller Dinge erhoben wird ist, in der der Mammon regiert. Im abschließenden Teil seiner Darlegungen standen Gedanken zur Frage, was vom Menschen nach seinem Tod bleibt. Es ist letztlich eine Frage, die sich an jeden selbst richtet und die er auch nur selbst beantworten kann. Die Möglichkeiten, die der Mensch besitzt, um Zeugnis von seinem Dasein zu geben, gewissermaßen in ihnen "fortzuleben", wenn auch zeitlich relativ, sind vielgestaltig. Vom Menschen bleibt - durchaus über Generationen -, was er geschaffen oder zerstört, gesagt oder geschwiegen hat. Er lebt fort in seinen Nachfahren, in der Versachlichung seiner Begabungen, seiner Ideen und Interessen.
Helmuth Sturmhoebel beendete seine Betrachtungen zur o. g. Frage und spannte damit den Bogen zu seinen einleitenden Bemerkungen mit einem Zitat aus dem Roman "Wie der Stahl gehärtet wurde" von Nikolai Ostrowski:
"Das Wertvollste, was der Mensch besitzt, ist das Leben. Es wird uns nur ein einziges Mal gegeben, und man soll es so benutzen, dass einen die zwecklos verlebten Jahre nicht bedrücken, dass einen die Schande einer niederträchtigen und kleinlichen Vergangenheit nicht brennt und dass man sterbend sagen kann: Mein ganzes Leben, meine ganze Kraft habe ich dem Herrlichsten in der Welt - dem Kampf für die Befreiung der Menschheit - gewidmet."
In der nachfolgenden Diskussion wurde den Ausführungen von Helmuth zugestimmt und Erfahrungen in der Trauerkultur ausgetauscht. Insgesamt hat die Veranstaltung dazu beigetragen aufgeschlossener mit der Thematik des Lebensendes umzugehen.
E.S.