Bürgerschaft beschließt Kirchenstaatsverträge

Kategorie: Hamburg Veröffentlicht: Freitag, 30. Juni 2006
Am zweiten Tag der Debatte der Hamburger Bürgerschaft verabschiedete das Landesparlament unter Tagesordnungpunkt 56 innerhalb weniger Minuten zwei Verträge mit weitreichenden ideologischen und finanziellen Folgen für die Bevölkerung der 1,7 Millionen-Metropole Hamburg. Die in unserem gestrigen Vorbericht erwähnten Verträge mit der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche und des "Heiligen Stuhls", also der Katholischen Kirche als Filiale des Vatikans in Hamburg, waren im Herbst letzten Jahres vom Bürgermeister Ole von Beust unterzeichnet worden und sind nach einer Beratung im Verfasungsausschuss gestern abend (29.6.) ohne Debatte mit großer Mehrheit beschlossen worden. Sowohl nach ersten der zweiten Lesung, die auf einander unmittelbar folgten, meldete sich kein Abgeordneter mit Kritik zu Wort. Die genaue Zahl der Gegenstimme könne der Parlamentsbeobachter nur ungefähr von der Empore des Parlamentssaals im Hamburger Rathaus sehen. Das Ergebnis einer Auszählung wurde von der amtierenden Parlamtspräsidentin nicht mitgeteilt. Es wurde nur verkündet, die Verträge seien mit großer Mehrheit angenommen worden. Zuvor hatte der Erste Bürgermeister eine Rede dazu gehalten, die noch nicht im Wortlaut vorliegt und die noch kommentiert werden muss. Der ganze "Spuk" war nach einer halben Stunde vorbei. Die NDR-Nachrichten berichteten abends über eine wohlwollenden Stellungnahme eines Vertreters der Katholischen Kirche.
Seit über drei Jahren kämpfen freigeistige Verbände wie der Deutsche Freidenker-Verband (DFV) gegen diese Verträge, die angeblich die letzten Staatsverträge, die von einem Bundesland mit den Kirchen geschlossen werden musste um eine rechtliche Lücke zu schließen. Den Abgeordneten der Bürgerschaft – vertreten sind nur die CDU, die SPD und GAL(Grün -Alternative Liste) – wurde im Februar 2005 eine 15-seitige Ausarbeitung "Argumente gegen einen geplanten Staats-Kirche-Vertrag für Hamburg" übergeben. Doch die Reaktion war gleich Null.

Auch aufgrund von Protesten und Presseerklärungen gab es zwei nichtige Antworten der CDU und der SPD an den DFV. Die GAL hat sich gar nicht gerührt und keine Antwort gesandt. Von Stellungnahmen von Parteien außerhalb der Bürgerschaft zu den so wichtigen Verträgen ist nichts bekannt.

Auf einer Veranstaltung des DFV-Ortverbands Hamburg im Mai diesen Jahres zu dem Wortlauten der Verträge – seit der Unterzeichnung war die Aushändigung der Verträge an die als Interessenvertretung der Konfessionsfreien wirkenden Freidenker-Verband verweigert worden - schätze der Kirchenkritiker Carsten Ferk ("Caritas und Diakonie in Deutschland", Alibri-Verlag, Aschaffenburg, 2005) ein, dass die oppositionellen Abgeordneten weitgehend ihren Frieden mit der Kirche gemacht haben und die CDU-Mehrheit die Verträge sowieso nur abknickt.

(Auf telefonsche Nachfrage konnte heute morgen in der Senatskanzlei als auch in der CDU-Fraktion leider  bisher keine Antwort auf meine Fragen erhalten. Der Bürgermeister würde weitgehend frei spreche. Erst im Protokoll könne man die Rede nachlesen)
USch