Kategorie: Mecklenburg-Vorpommern
Veröffentlicht: Freitag, 17. Juni 2005
In der Zeit vom 4. bis zum 8. April 2005 wurde im Rathaus von Neustrelitz die vom Bundesamt für Verfassungsschutz erarbeitete Ausstellung "Die braune Falle" gezeigt. Sie ist ein Versuch, auf Fragen Antwort zu geben, wer die Jugendlichen sind, die der rechtsextremistischen Szene angehören, wie sie dahin gelangten und welche Möglichkeiten des Ausstiegs ihnen geboten werden. Als ein Hauptgrund für die Abwanderung von Jugendlichen in rechtsextremistische Verbindungen (Kameradschaften u. ä.) werden gesellschaftliche, familiäre und persönliche Konflikte, wie Arbeitslosigkeit, gestörtes Elternhaus, finanzielle Nöten, und die Suche nach einem Platz in der Gesellschaft, nach Orientierung und Anerkennung. Als Hauptweg wird die Nutzung der Musik und des Internets herausgestellt.
Und es ist unbestreitbar, dass neben dem Film die Musik mehr als jedes andere Propagandamittel, Massen zu ergreifen und Emotionen in besonderer Weise zu wecken vermag. In Liedtexten werden Hass, Antisemitismus, Rassismus, Ausländerfeindlichkeit und Feindbilder vermittelt, Gewalt verherrlicht oder dazu aufgerufen. Nach Aussagen des Bundesverfassungsschutzes gibt es neben einigen Barden mehr als 100 Bands in Deutschland der unterschiedlichsten Stilrichtungen - vom Rechtsrock über NS-Black-Metal bis hin zu Dark Wave. Ebenso wenig unbestreitbar ist die Rolle des Internets. Es erlaubt eine enorme Vernetzung der einzelnen Gruppen und Gruppierungen, auf Homepages ihre Selbstdarstellungen, ihre Konzepte, ihre Termine zu Veranstaltungen, Berichte über Aktivitäten, Personen bzw. politischen Gegnern zu veröffentlichen, es gestattet Kontaktaufnahmen und Diskussionsmöglichkeiten. Im Internet ist eine breite Agitationsbasis zu finden, u. a. für neofaschistische Publikationen, CDs (zum Selbstbrennen) und Druckvorlagen für Plakate und Aufkleber. Über den Online-Vertrieb werden rassistische Spiele, CDs und Szene-Kleidung angeboten.
Über all dieses ist die Ausstellung sehr informativ. Jedoch die in ihr herausgestellten Inhalte und Darlegungen zur rechtsextremistischen Weltanschauungen und zu rechtsextremistischen Parteien (es werden nur NPD,DVU und REP genannt) sind nur Grobskizzen. Es gibt keine Aussagen zu den ideologischen und politischen Überschneidungen von Rechtsextremismus und Konservatismus; zu den Fallenstellern und Hintermännern (Altnazis z.B.) wird wenig gesagt. Vielmehr entsteht der Eindruck, dass der Rechtsextremismus mehr eine Randerscheinung, ein Jugendproblem- ist, die momentan etwas auswuchert.
Auf die Frage, wer den ganzen Spuk finanziert, findet der Besucher keine Antwort. Es könnte ja peinlich sein. Denn bekanntermaßen ist eine finanzielle Quelle die Staatskasse selbst (Wahlkampfkostenerstattung, V-Männer-Gehälter).
Kritisch anmerken muss man auch, daß die Ausstellung nicht deckungsgleich ist mit der aktuellen rechtsextremistischen politischen Strategie, die als soziale Bewegung an die Macht will. Sie zeigt z. T. veraltetes. Ganz offensichtlich wird dieser Fakt z.B. bei der Darstellung der Erkennungs-zeichen: rasierter Schädel, Bomberjacke, Springerstiefel , einschlägige Aufnäher oder Tätowierungen. All das ist nicht mehr so in. Nicht dass diese identitätsstiftenden Symbole gänzlich verschwunden sind ( es gibt
neuere), aber man will nicht mehr den gewaltbereiten Typ darstellen. Man will nicht abschrecken, sondern mehr Akzeptanz in der Bevölkerung gewinnen. Soziale und lokale Themen werden aufgegriffen, man wendet sich gegen Hartz IV, gegen die Agenda 2010 oder gegen die Schließung eines Schulstandortes u. a. m.. Die "Volksnähe" wird gesucht z. B. über Nachbarschaftshilfe, Jugendarbeit in den Gemeinden, Sport oder Aktivitäten in Heimat- und Naturverbänden. Bei all den neuen sozialen Strategien und Ideologien werden die alten nicht aufgegeben, nur verbrämter angeboten.
Insgesamt war es gut, dass diese Ausstellung gezeigt wurde, viele Schüler sie besuchten und mit ihnen über den Rechtsextremismus gesprochen wurde.
Opticus